Direkt zum Seiteninhalt springen

„Reisen bildet“ sagt bereits das Sprichwort – und so geht ein beachtlicher Teil des Wissens über die Welt auf Berichte von Menschen zurück, die sich aus verschiedenen Gründen auf den Weg in weit entfernte Länder begaben und dort Entdeckungen machten, die zu Hause neue Impulse – etwa im Bereich technischer Entwicklung – setzen konnten. In Zeiten des Massentourismus schwer nachvollziehbar, waren derartige Reisen nicht nur wenigen, zumeist wohlhabenden Bevölkerungsschichten vorbehalten und bildeten häufig einen Wendepunkt in der Biografie des Einzelnen.

Viele dieser Reisenden behielten das gesammelte Wissen nicht für sich, sondern stellten ihre Beobachtungen geographischer, kultureller oder naturwissenschaftlicher Phänomene einer interessierten und zahlungskräftigen Öffentlichkeit zur Verfügung. Diese Reisedokumentationen faszinierten das gebildete Europa und die daraufhin entstandenen Publikationen fanden großen Absatz. Im Folgenden werden einige dieser Berichte aus dem Bestand der Bibliothek exemplarisch betrachtet, ein Blick auf in anderen Artikeln erläuterte Reisberichte (z.B. von Sibylla Merian) ist zur Ergänzung empfehlenswert. Die Grundvoraussetzung jeder Reisetätigkeit, nämlich das Vorhandensein möglichst exakter geographischer Karten, ist am Beispiel von Abraham Ortelius‘ Kartenwerk verdeutlicht.

Barocker Bildungshunger und Sammelleidenschaft: Balthasar de Monconys

Sind die Kuriositätenkabinette barocker Herrscher in deren Schlösser und Residenzen seit jeher Anziehungspunkt von Touristenscharen, so handelt es sich beim „barocken Sammelwahn“ um ein Phänomen, welches auch im (Bildungs-)Bürgertum Verbreitung fand. Ein Beispiel hierfür ist Balthasar de Monconys (1611–1665, siehe Abb.), Arzt und Magistrat aus Lyon, der nach dem Tod seiner Frau im Jahre 1627 eine stattliche Anzahl von Ländern (Portugal, Italien, Deutschland, Ägypten, Palästina, Syrien) bereiste und aus allen Ländern Souvenirs nach Lyon schaffte. In der Kammer, die Balthasar mit seinem Bruder Gaspard bestückte, konnten neben Skarabäen und einem Krokodil aus Ägypten, Büchern und Stichen aus Deutschland eine auch beachtliche Anzahl an physikalischen Geräten bestaunt werden. Zwar verliert sich die Spur der Objekte in den Wirren der Französischen Revolution, sein Reisebericht – posthum vom Sohn veröffentlicht – aber ist erhalten und stellt in gewisser Weise eine literarische, wenig geordnete Verschriftlichung der Kuriositätensammlung dar. Der Untertitel gibt einen Hinweis, warum sich das Werk sowohl im französischen Original (Voyages de M. Monconys, 1665/66, siehe Katalogeintrag) als auch in der deutschen Übersetzung (Des Herrn de Monconys ungemeine und sehr curieuse Beschreibung […], 1735, siehe Katalogeintrag) im Bestand des Deutschen Museums befindet: Laut Titelblatt ­– dem Geschmack der Zeit entsprechend eine zum Kauf anregende Umschreibung des Inhalts – handelt es sich um ein Werk, „in welchem die Gelehrten eine grenzenlose Anzahl an Neuigkeiten an Maschinen der Mathematik, physikalischen Experimenten […] Kuriosem aus der Chemie finden werden“ [Übers. d. Verf.]. Entsprechend finden sich in seinem Bericht neben den Reise- und Ortsbeschreibungen Abbildungen von Monumenten wie den Pyramiden, Rezepte, Transkripte von Briefen, abgeschriebene Traktatexzerpte und Beschreibungen von Instrumentensammlungen wie die der Geräte Otto von Guerickes (Otoh Gerike) in Magdeburg – alles in allem eine Fundgrube und Zusammenschau bürgerlicher Gelehrtentätigkeit des 17. Jahrhunderts.

Engelbert Kaempfer aus Lemgo, ein Aufsteiger der Zeit des Dreißigjährigen Krieges

An der Schwelle vom Barock zur Aufklärung liegt die "De Beschryving Van Japan" des aus dem lippischen Lemgo stammenden Arztes und Naturforschers Engelbert Kaempfer (1651–1716). Den „bunten“ Biografien der Zeit entsprechend war er unter anderem als schwedischer Legationssekretär in Russland und Persien unterwegs und reiste im Dienst der niederländischen Ostindienkompagnie in den Jahren 1690–92 nach Japan. Seine Beschryving (siehe Katalogeintrag) ist das erste nicht von Missionaren verfasste Werk über das Land, welches nach der Abschließungspolitik der 1630er Jahre keine Europäer mehr innerhalb seiner Grenzen duldete. Die niederländische Ostindienkompagnie besaß in gewisser Weise nach der Vertreibung christlicher Missionare Anfang des 17. Jahrhunderts und der Ausweisung der Europäer das exklusive Handelsrecht mit Japan. Dies allerdings unter schweren Auflagen: So war es den niederländischen Handelsherren lediglich erlaubt, sich in einer Handelskompagnie – einer Handelsniederlassung auf der Insel Dejima im Hafen von Nagasaki – aufzuhalten. Kaempfer durfte allerdings nach Edo (heutiger Name: Tokio) reisen.

Anders als die Amoenitatum Exoticarum Politico-Physico-Medicarum Fasciculi V (Exotische Köstlichkeiten von Politik, Naturwissenschaft und Medizin in 5 Faszikeln), welche noch zu Lebzeiten Kaempfers gedruckt wurden – ebenfalls in der Bibliothek des Deutschen Museums vorhanden (siehe Katalogeintrag) –, ist die Beschryving Van Japan aus seinem Nachlass publiziert. Im Gegensatz zu anderen zu seiner Zeit sehr populären Werken, verließ sich Kaempfer nicht auf Hörensagen und Legenden, sondern dokumentierte, was er unter den schweren Bedingungen von der Sprache, der Flora und Fauna Japans und seiner traditionellen Medizin mitbekommen konnte. Seine auf diese Weise entstandenen Berichte prägten das Japanbild Europas bis zu den Reisen Philipp Franz von Siebolds (1796–1866) im 19. Jahrhundert.

James Cook

Am ehesten dem Bild des Entdeckungsreisenden entspricht wohl James Cook (1728–1779), Kapitän im Dienst des Königs von England. Allzu bekannt sind seine Entdeckungsfahrten in den Pazifik mit dem tragischen Ende des Hauptbeteiligten in Folge von Konflikten mit der hawaiianischen Urbevölkerung, als dass man viele Worte darüber verlieren müsste. Die neuere Forschung betont bei allen Meriten dieser Entdecker die oft weniger lobenswerten (Neben-)Effekte derartiger Unternehmungen auf das Fortbestehen „entdeckter“ Völker, gingen die Entdeckungen Cooks doch oft mit Kolonialisierung und damit Verdrängung indigener Bevölkerung aus ihren Siedlungsgebieten einher. Weniger bekannt als die Erlebnisse und Karten der drei Reisen Cooks ist, dass Anlass für Cooks erste Reise (1768–1771) ein zu beobachtendes astronomisches Phänomen, der Venustransit von 1769 war. Zu dessen Dokumentation wurde Cooks Schiff, die Endeavour, mit allerlei astronomischen Gerät bestückt und der Astronom Charles Green mit dem Kapitän in den Diensten der Royal Navy nach Tahiti entsandt. Ist der Venustransit sicherlich eine Bemerkung in astronomischer Fachliteratur wert, so war der Geheimauftrag, den Cook erhielt, sehr viel eher geeignet, dem Ausführenden zu Weltruhm zu verhelfen: Es ging um die Entdeckung des legendären Südkontinents (Terra Australis incognita), welcher auf frühneuzeitlichen Karten (siehe Abb.) einen beachtlichen Teil der Südhalbkugel der Welt einnahm und bereits seit der Antike als „Gegengewicht“ zu den Landmassen des Nordens angenommen worden war. Mit der Beauftragung Cooks gingen konkrete politische Pläne zur Ausweitung des britischen Herrschaftsgebietes einher. Cook entdeckte und kartografierte eine beachtliche Anzahl von Inseln und Inselgruppen und erreichte als erster Europäer die Ostküste Australiens. Den gesuchten Südkontinent konnte er in der vermuteten Form aber nicht finden. Auf seiner zweiten Reise galt es, den Nachweis über dessen Nichtexistenz zu erbringen. Seine dritte Reise schließlich widmete sich ebenfalls geostrategisch motiviert der Nordwestpassage. Auf allen seinen Reisen war der berühmte Kapitän Cook nicht nur von Astronomen, sondern auch anderen Wissenschaftlern unterschiedlicher Disziplinen wie dem deutschen Naturforscher Georg Forster begleitet. So künden die Stiche, welche seine Reisetagebücher illustrieren, von reichhaltigen geologischen, biologischen und ethnologischen Betrachtungen.

Im Magazin der Bibliothek des Deutschen Museums werden mehrere Reiseberichte der Expeditionen Cooks verwahrt. Neben dem vom Literaten John Hawkesworth (1715–1773) verfassten – und wegen seiner literarischen Freiheiten kritisierten – Sammelwerk über mehrere Seereisen englischer Entdecker (siehe Katalogeintrag) wird eine französische Ausgabe der Reisetagebücher Cooks aufbewahrt. Sie decken die zweite (1772–1775; siehe Katalogeintrag) und dritte (und letzte) Südseereise (1776–1779; siehe Katalogeintrag) ab. Eindrucksvolles Vermächtnis Cooks sind die erstellte Karte der Südhalbkugel und die Karten der bereisten Inseln. Aber auch die Porträts von Angehörigen indigener Völker sowie Szenen der Begegnung mit diesen – durchaus nicht immer konfliktarm - begeisterten bildungshungrige Schichten in ganz Europa und haben auch heute nichts von ihrer Ausdruckskraft verloren.

Expedition Spix/Martius

Ganz nach dem Vorbild des berühmten Alexander von Humboldt (1769–1859) bereisten die beiden bayerischen Naturwissenschaftler Johann Baptist Spix (Zoologe; 1781–1826) und Carl Friedrich Philipp Martius (Botaniker; 1794–1868) Südamerika und machten sich damit in der Forschung einen Namen. Die beiden wurden bei einer diplomatischen Reise anlässlich der Hochzeit des portugiesischen Thronerben, dem späteren brasilianischen Kaiser Pedro I., mit der Erzherzogin Maria Leopoldina, Tochter des österreichischen Kaisers, vom bayerischen König 1817 nach Brasilien entsandt. Unabhängig von der österreichischen Expedition unter Johann Natterer (1787–1843) erschlossen sie den Amazonas entlang reisend, kartografierend, verzeichnend und sammelnd drei Jahre lang das (den Europäern) unbekannte Innere des südamerikanischen Kontinents. Ihre gesammelten Funde bilden einen bedeutenden Teil der Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen in München. Die Objekte waren zahlreich und diese nach Europa zu schaffen, war zu jener Zeit sicherlich eine logistische Herausforderung, zumal neben die 20.000 gepressten Pflanzen 3.460 tote und 80 lebende Tiere traten, von denen 57 die strapaziöse Reise überlebten und zum Teil in Nymphenburg zu betrachten waren. Auch dies gehört zur Geschichte: zu den „Studienobjekten“ gehörten auch vier Angehörige indigener Völker, von denen lediglich zwei überlebten. Bei ihrer Rückkehr wurden die beiden Forscher nicht nur vom König empfangen, sondern auch unmittelbar geadelt. In der Zeit nach der Rückkehr machten sie sich daran, ihren Reisebericht­ finanziert von der Krone­ in drei Bänden herauszugeben (siehe Katalogeintrag). Ist die Lektüre des Berichts inhaltlich und auch sprachlich vielfach gelobt, liefern die vornehmlich nach Martius’ Skizzen gefertigten Stiche einen faszinierenden Eindruck eines noch kaum von der Industrie berührten Tropenlandes. Spix indes überlebte die strapaziöse Reise nur um wenige Jahre und konnte lediglich damit beginnen, seine Funde in entsprechenden Publikationen auszuwerten. Martius hingegen zehrte wissenschaftlich viele Jahre aus seiner Brasilienreise, wurde Konservator des Botanischen Gartens, Professor der Ludwig-Maximilians-Universität und hochgeachtetes Mitglied akademischer Gesellschaften.

Christian Winkler

Literaturhinweise

De Clercq, Peter, The travel journals of Balthasar de Monconys (1608-1665) and Zacharias Conrad von Uffenbach (1683-1734), in: Bulletin of the Scientific Instrument Society 128, 2016, S. 2–14, siehe Katalogeintrag.

Haberland, Detlef (Hrsg.), Engelbert Kaempfer. Werk und Wirkung ; Vorträge der Symposien in Lemgo (19. - 22.9.1990) und in Tokyo (15. - 18.12.1990). Stuttgart 1993, siehe Katalogeintrag.

Hauser-Schäublin, Brigitta (Hrsg.), James Cook. Gifts and treasures from the South Seas ; the Cook/Forster collection, Göttingen. Munich, New York 1998, siehe Katalogeintrag.

Glaubrecht, Matthias: Die naturkundliche Entdeckung Brasiliens und des „Flusses der Amazonen“, in: Naturwissenschaftliche Rundschau 67, 2014 – Teil 1: S. 290-304; Teil 2: S. 342-356 (DE-604), siehe Katalogeintrag.