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Kaiser Wilhelm II. ärgerte sich, weil die Briten dem Südpol nähergekommen waren als die deutsche Expedition. Vom wissenschaftlichen Ertrag für die Polarforschung war sie jedoch viel bedeutender.

Die Antarktis war bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts noch unbekannt, erst um 1820 sollte sie von russischen, britischen und amerikanischen Schiffen gesichtet werden. Mit der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert wurde die Erforschung der Antarktis international intensiviert und im nachfolgenden Jahrzehnt auch die ersten Inlandexpeditionen durchgeführt. Das Jahr 1901 wurde zum „Antarktischen Jahr“ erklärt und es sollten in diesem Jahr drei miteinander koordinierte Expeditionen Richtung Antarktis aufbrechen: eine britische, eine schwedische und eine deutsche. Die britische führte Robert Scott (1868–1912), der im Rahmen einer späteren Expedition 1912 – ein Jahr nach Roald Amundsen (1878–1928) – den Südpol erreichen sollte, die schwedische leitete Otto Nordenskjöld (1869–1928) und die deutsche Erich von Drygalski (1865–1949).

Drygalski, der Leiter der ersten deutschen Antarktisexpedition, war Geograph und seit 1899 Professor an der Berliner Universität; 1906 sollte er dann einen Lehrstuhl an der Münchner Universität erhalten. Bereits 1891 und 1892/93 hatte er zwei Expeditionen nach Westgrönland geleitet und es erstaunt daher nicht, dass er 1898 auch mit der Leitung der geplanten Deutschen Südpolar-Expedition betraut wurde. Diese brach im August 1901 mit dem speziell für diese Reise gebauten Forschungsschiff  „Gauss“ von Kiel auf und zählte 32 Teilnehmer, darunter fünf Wissenschaftler. 1902/03, das Schiff im Eis eingefroren, führten die Forscher an der Küste der östlichen Antarktis vielfältige Untersuchungen zu Astronomie, Geophysik, Meteorologie und Zoologie aus. Mit Schlitten wurde die Umgebung erkundet und Drygalski stieg zu weiteren Erkundungen mit einem Ballon auf. Wissenschaftlich war die Expedition ein großer Erfolg – so wurden allein über 2200 neue Meerestiere entdeckt. Die Expedition erreichte im November 1903 wieder Kiel, doch herrschte in der öffentlichen Meinung und vor allem beim Kaiser die Unzufriedenheit vor. Allgemein war erwartet worden, dass Drygalski weiter in die Antarktis vordringen würde. Wilhelm II. verärgerte vor allem die Tatsache, dass die Briten dem Südpol näher gekommen waren als die Deutschen.

Darüber wurden die erfolgreichen Forschungsarbeiten völlig übersehen. Deren Aufbereitung sollte mehr als zwei Jahrzehnte beanspruchen. Unter dem Titel „Deutsche Südpolar-Expedition 1901–1903“ wurden diese von 1908 bis 1931 in 20 Text- und drei Atlasbänden von Erich von Drygalski herausgegeben. Die Funktion des Herausgebers unterscheidet das voluminöse Werk von den Expeditionsberichten früherer Zeiten, die noch von einem einzelnen verfasst werden konnten. Es war zu Beginn des 20. Jahrhunderts bereits undenkbar, derartig weite Gebiete, wie sie im Rahmen der Südpolar-Expedition bearbeitet wurden, auch nur noch zu überblicken. Die Teilung zwischen dem Herausgeber und den Verfassern der Einzelbände ist damit prototypisch für viele Werke der zunehmend arbeitsteilig vorgehenden Naturwissenschaften. Den Schwerpunkt der „Deutsche Südpolar-Expedition 1901–1903“ bildet die Zoologie mit allein zwölf Bänden, die übrigen Bände behandeln Geographie, Geologie, Meteorologie, Geophysik, Bakteriologie, Ozeanologie und Botanik. Die einzelnen Bände sind hervorragend mit Fotografien und Holzstichen illustriert und vermitteln so die Ergebnisse der Reise eindrücklich. Die Expeditionen Amundsens und Scotts sind zwar wesentlich bekannter als die deutsche Südpolar-Expedition, doch war Drygalskis langfristiger Beitrag zur Polarforschung in Form des Werks „Deutsche Südpolar-Expedition 1901–1903“ deutlich größer.

Erich von Drygalski, der seit 1906 in München lebte, war dem Deutschen Museum eng verbunden. Der Kontakt zwischen Drygalski und Miller war eng, doch wurde die Meereskunde kein zentrales Thema der Schifffahrtsabteilung; erst 2013 sollte hierzu eine Dauerausstellung eröffnet werden.

Literatur:

  • Mountfield, David: Die großen Polarexpeditionen. Eine illustrierte Geschichte abenteuerlicher Entdeckungen. Wiesbaden 1974. Zum Katalogeintrag
  • Murphy, David Thomas: German Exploration of the Polar World. A History, 1870–1940. Lincoln 2010. Zum Katalogeintrag