Verstehen es die Eltern, verstehen es alle
Die Physikerin und Philosophin, Journalistin und Autorin Sibylle Anderl wird mit dem Helmut Fischer Preis für Wissenschaftskommunikation ausgezeichnet
„Wenn’s meine Eltern verstehen, dann habe ich es gut erklärt“ – so lief anfangs der Praxistest für die Texte von Sibylle Anderl. Als die Physikerin und Philosophin 2017 ihre Karriere als Wissenschaftsjournalistin bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) startete, waren Mama und Papa immer vorab die ersten Leser und Kritiker ihrer Artikel: „Die waren einerseits natürlich als Eltern motiviert meine Texte zu verstehen, aber andererseits hatten sie zu meinen Themen nicht sehr viel Vorwissen.“ Offensichtlich waren Mutter und Vater ein sehr guter Maßstab für das Gros der Leserschaft. Ende 2021 stieg Sibylle Anderl zur Leiterin des Ressorts „Natur und Wissenschaft“ der FAZ auf. Und gestern wurde die heute 41-Jährige mit dem Helmut Fischer Preis für Wissenschaftskommunikation des Deutschen Museums ausgezeichnet.
Von Geo-Engineering über die Entstehung des Sonnensystems bis zu KI und Sittenverfall: Die Bandbreite der Themen, über die Sibylle Anderl in der FAZ schreibt, ist riesig. Die größte Herausforderung für die promovierte Astrophysikerin und Philosophin ist dabei, die Balance zwischen wissenschaftlicher Genauigkeit und Verständlichkeit zu finden: „Wenn man aus der Wissenschaft kommt, neigt man vielleicht dazu, sich in fachliche Details zu verlieben, die letztendlich aber irrelevant für den Artikel sind. Gegebenenfalls müssen kurzzeitig lieb gewonnene Textteile schnell wieder losgelassen werden. Dazu gehört auch, zu lernen, bewusst Dinge deutlich zu vereinfachen, ohne Angst zu haben, dass einem das als fehlende Kompetenz ausgelegt werden könnte.“
„Größtmögliche Vereinfachung und gleichzeitige Korrektheit bei der Vermittlung von Wissen – das gehört ja seit Anfang an zu unserem breit gefächerten Angebot zur Wissenschaftskommunikation im Deutschen Museum“, sagt Wolfgang M. Heckl, der Generaldirektor des Deutschen Museums und Inhaber des Oskar-von-Miller Lehrstuhls für Wissenschaftskommunikation an der TU München. Nicht zu vergessen sei auch der Spaßfaktor, auf den schon Oskar von Miller bei der Gründung seines Museums großen Wert gelegt hatte, Stichwort „Volksbildung und Volksbelustigung“, denn mit positiven Emotionen lernt es sich einfach besser. „So, wie es Sibylle Anderl immer wieder gelingt, auch die komplexesten Zusammenhänge nicht nur verständlich, sondern auch unterhaltsam aufzubereiten, würde ich sie sofort auch die Texte für unsere Ausstellungen schreiben lassen.“
Gestern Abend wurde die Wissenschaftlerin und Autorin dafür mit dem Helmut Fischer Preis für Wissenschaftskommunikation ausgezeichnet. Der Preis ist mit 5000 Euro dotiert und wird seit 2016 gemeinsam vom Deutschen Museum und der Helmut Fischer Stiftung an Menschen verliehen, die sich in besonderer Weise um die Wissenschaftskommunikation verdient gemacht haben. Der Stifter des Preises, Helmut Fischer, hatte 2003 die Helmut Fischer Stiftung ins Leben gerufen, um Wissenschaft, Forschung, Bildung und Kunst zu fördern, und ihr dafür das gesamte Unternehmensvermögen seiner Messtechnik-Firma übertragen.
„Die vergangenen Jahre haben deutlicher denn je gezeigt, welch wichtige gesellschaftliche Rolle gelingende und vertrauenswürdige Wissenschaftskommunikation spielt. Das Deutsche Museum ist in dieser Hinsicht ein großes Vorbild, und es ist für mich auch deshalb eine besondere Ehre, in die Reihe der Helmut Fischer Preisträger aufgenommen zu werden,“ sagt Sibylle Anderl, die Trägerin des Helmut Fischer Preises für Wissenschaftskommunikation 2023.
Über die Preisträgerin 2023:
Sibylle Anderl absolvierte ein Doppelstudium der Physik und der Philosophie und promovierte 2013 in Astrophysik. Sie forschte zu Fragen der Sternentstehung sowie zu Themen der Wissenschaftsphilosophie. Seit 2017 ist sie Wissenschaftsredakteurin bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Seit 2021 ist die 41-Jährige Mitherausgeberin der Kulturzeitschrift Kursbuch, seit Dezember 2021 Ressortleiterin „Natur und Wissenschaft“ bei der FAZ. Nach „Das Universum und ich. Die Philosophie der Astrophysik“ (Hanser-Verlag, 2017) erschien 2022 ihr Sachbuch „Dunkle Materie: Das große Rätsel der Kosmologie“ beim Verlag C.H. Beck. Zudem moderiert Sibylle Anderl auf ARD-alpha verschiedene Wissensformate.
Die bisherigen Helmut Fischer Preisträger:
- 2016: Giulia Enders, Medizinerin und Autorin („Darm mit Charme“)
- 2017: Philipp Häusser, Physiker und YouTuber („Phil’s Physics“)
- 2018: Johann Beurich, Mathematiker und YouTuber („DorFuchs“)
- 2019: Jugendforschungszentrum Schwarzwald-Schönbuch
- 2022: Ingolf Baur („nano“-Moderator bei 3sat)
(2020 und 2021 pandemiebedingt keine Preisvergabe)
Bild 1/2
Ausgezeichnet mit dem Helmut Fischer Preis für Wissenschaftskommunikation 2023: die Physikerin und Journalistin Sibylle Anderl bei der Feier zur Preisverleihung im Auditorium des Deutschen Museums.
Frei zur Veröffentlichung nur mit dem Vermerk
Foto: Deutsches Museum/Reinhard Krause
Bild 2/2
Bei der Preisverleihung am 28. November 2023 (v. li.): Generaldirektor Wolfgang M. Heckl, Preisträgerin Sibylle Anderl, Jürgen Fischer, Sohn des Stifters, Tobias Fischer, Enkel des Stifters, und Martin Leibfritz, Geschäftsführer der Helmut Fischer GmbH.
Frei zur Veröffentlichung nur mit dem Vermerk
Foto: Deutsches Museum/Reinhard Krause