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Nicht untypisch für die Technikgeschichte: Ein Ressourcenmangel, hier an Lumpen für die Papierherstellung, führt zu neuen Lösungsversuchen, am Ende steht eine Waschmaschine als "Kollateral-Erfindung".

Die Technikgeschichte ist in der frühen Neuzeit durch einen von den Zeitgenossen verstärkt wahrgenommenen Ressourcenmangel gekennzeichnet, das zeigt gerade auch das Beispiel Papier. Es wurde in Europa, im Gegensatz etwa zu Japan, traditionell aus Lumpen, auch Hadern genannt, hergestellt. Durch das Land ziehende Lumpensammler trugen abgetragene, verschlissene Kleidungsstücke zusammen und lieferten sie an Papiermühlen, wo sie zu Papier verarbeitet wurden. Die Zahl dieser Mühlen hat sich in Deutschland vom Dreißigjährigen Krieg bis zum Ende des 18. Jahrhunderts auf 1000 Betriebe verdoppelt.

Die Verwendung von Papier, ob für den Buchdruck, zum Schreiben oder zum Verpacken, hat im 18. Jahrhundert erheblich zugenommen. So vervierfachte sich von 1760 bis 1800 allein die Zahl der Neuerscheinungen im deutschen Raum auf über 4000 Titel. Mit dieser zunehmenden Nachfrage konnte das Angebot an Lumpen kaum mithalten, deshalb wurde, allerdings mit wenig Erfolg, versucht, deren Ausfuhr zu unterbinden. Doch war abzusehen, dass derartige Maßnahmen langfristig nicht ausreichen würden, sollte eine ausreichende Papierversorgung sichergestellt werden.

Deshalb setzten nach 1700 Versuche ein, auch aus anderen Stoffen Papier zu erzeugen. So berichtete der bekannte französische Naturforscher René-Antoine de Réaumur (1683–1757), nach dem auch eine Temperaturskala benannt wurde, im Jahr 1719 der Académie des Sciences in Paris über Wespennester als Vorbild für Papierersatzstoffe und stellte die Frage, ob nicht Holz die Lumpen teilweise ersetzen könne.

Die ersten systematischen Versuche, Papier ohne die Verwendung von Hadern herzustellen, führte jedoch der in Regensburg lebende Naturforscher Jacob Christian Schäffer durch. Dieser war 1718 in Querfurt, einem westlich von Halle gelegenen Städtchen, geboren worden. Nach dem Studium der evangelischen Theologie verschlug es ihn in die Freie Reichsstadt Regensburg, wo er es 1779 bis zum Dekan brachte. Die Stadt an der Donau war eines der wenigen Territorien des Heiligen Römischen Reichs, in dem seit der Reformation Katholiken wie Protestanten lebten. Der Immerwährende Reichstag, der von 1663 bis 1806 in der Stadt seinen Sitz hatte, führte Gesandte aus vielen Ländern dorthin. Mehr als in anderen Gebieten des künftigen Bayern herrschte deshalb eine für Bildung und Wissenschaft aufgeschlossene, Schäffers Arbeit begünstigende Atmosphäre.

Das Hauptinteresse Schäffers galt jedoch nicht der Theologie, sondern der Naturforschung. Die Beschäftigung mit den Naturwissenschaften hat in der Zeit der Aufklärung gerade auch Laien begeistert und führte zur Entstehung zahlreicher wissenschaftlicher Gesellschaften. Schäffer ist das Beispiel eines höchst erfolgreichen Autodidakten, der sich vorrangig mit der heimischen Tier- und Pflanzenwelt beschäftigte. Mehr als 60 oft vielbeachtete Bücher hat der Regensburger Theologe publiziert. Mit seinem Werk gilt er als der Begründer der Mykologie, der Wissenschaft von den Pilzen, in Deutschland. Ein öffentlich zugängliches, heute verlorenes Naturalienkabinett, das im September 1786 auch Goethe besuchte, war für den Regensburger Naturforscher ein wichtiges Arbeitsinstrument. Schäffer, 1759 eines der Gründungsmitglieder der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, war ein international angesehener Forscher, der der Académie des Sciences ebenso wie der Royal Society angehörte.

Seine Forschungen zu den heimischen Insekten führten zu einem Schriftwechsel zwischen Schäffer und Réaumur, der ihn auf die papierähnlichen Nester amerikanischer Wespen aufmerksam machte. Der Hinweis Réaumurs, verschiedene zeitgenössische Veröffentlichungen und eigene Beobachtungen veranlassten Schäffers Versuche, die verschiedensten Materialien als Lumpenersatz zu prüfen. Zuerst nutzte er die örtliche Papiermühle von Meckenhäuser für die Versuche mit alternativen Rohstoffen. Doch schaffte sich Schäffer schon 1763 eine kleine Stampfmühle für seine Versuche an, da er kaum die für eine Papiermühle benötigten Quantitäten beschaffen konnte. Gut 80 unterschiedliche pflanzliche Materialien, darunter sogar Hopfenranken und Weinreben, prüfte Schäffer auf ihre Eignung als Rohstoff für die Herstellung von Papier.

Die Ergebnisse dieser Versuche veröffentlichte er von 1765 bis 1771 in seinem Werk „Versuche und Muster ohne alle Lumpen oder doch mit einem geringen Zusatze derselben Papier zum machen“. Eine Besonderheit dieses in Regensburg erschienenen Buchs ist, dass er Beispielseiten der aus den geprüften Pflanzen gefertigten Papiere beibinden ließ. Diese sind erstaunlich gut erhalten, was auch daran liegt, dass der Schäffer unterstützende Papiermachergeselle wohl ohne Schäffers Wissen Lumpen beimengte, um seinen Arbeitgeber zufriedenzustellen. Über die Qualität seiner Papiere gab sich Schäffer jedoch keinen Illusionen hin. Er kam zu dem Ergebnis, dass die Pflanzen als Ausgangsbasis zur Herstellung von Pack-, nicht jedoch von Schreib- und Druckpapieren geeignet seien.

Die Versuche des 1790 verstorbenen Schäffer wurden von der wissenschaftlichen Öffentlichkeit mit Interesse verfolgt, sie führten jedoch letztlich nicht zu Veränderungen der bei der Papierherstellung verwendeten Rohstoffe. Zu groß war das Misstrauen der Papiermüller gegenüber den Schäffer'schen Versuchen. Es sollte den Arbeiten Friedrich Gottlob Kellers (1816–1895) vorbehalten bleiben, mit dem Holzschliff Mitte der 1840er-Jahre einen Ersatzrohstoff in die Papierherstellung einzuführen. Schäffers bleibender Verdienst ist es jedoch, dass er sich als erster systematisch um einen Ersatz für die knappen Lumpen bemühte.

Fast wie ein Kuriosum der Technikgeschichte mutet es an, dass die von Schäffer für seine Papierversuche konstruierte Stampfmühle von ihm 1766 zu einer der ersten mechanischen Waschmaschinen umgebaut wurde. Doch lag dieser Schritt gar nicht so fern, bemühten sich doch die Papiermüller seit Mitte des 18. Jahrhunderts, Möglichkeiten zur Reinigung der oft stark verschmutzten Lumpen zu finden. Schäffer aber war jedoch der einzige, der seine sicherlich wenig schonenden Geräte, für den Haushaltsgebrauch bauen ließ. Immerhin rund 60 Stück wurden davon produziert und verkauft.

Literatur:

Bayerl, Günter: Die Papiermühle. Teil 1. Frankfurt 1987, S. 370–397.

Roloff, Eckart: Göttliche Geistesblitze. Weinheim 2010, S. 159–182.

Der Artikel erschien zuerst in "Kultur+Technik", der Zeitschrift des Deutschen Museums, Heft 01/2011.